Press Article by Skut Musikkultur about Death in Haiti (De)

https://skug.at/felix-blume-death-in-haiti-funeral-brass-sounds-sounds-of-port-au-prince/

Wer sagt eigentlich, dass Beerdigungen immer von choraler Kirchenmusik begleitet werden müssen? Kulturen sind verschieden und so sind ihre Rituale – da macht auch der Gang des letzten Weges keine Ausnahme. Sogenannte Jazz-Beerdigungen kamen Anfang des 20. Jahrhunderts in den Südstaaten der USA auf und breiteten sich bald – die römisch-katholische Kirche missbilligt säkulare Musik bisweilen noch heute – über ethnische Grenzen hinweg aus. Es sind meist traurig-schleppende Ragtime-Märsche – Trauermärsche, wenn man so möchte – die die Prozessionen begleiten und den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen. Eine typische Jazz-Beerdigung ist also eine ebenso anmutige wie ergreifende Zeremonie, denn die Musik strahlt alles aus, was der christlich-klerikale Mief nicht auszustrahlen vermag: aus einer ohnehin schon betrübten Situation eine solche der Akzeptanz und Annahme zu machen.

Der Sounddesigner Félix Blume hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau jene für europäische Verhältnisse sicherlich ungewohnten Rituale zu dokumentieren. Entstanden ist dadurch ein einfühlsames, manchmal herzzerreißendes, aber stets auf die Integrität des Anlasses bedachtes Album. In Port-au-Prince, der Hauptstadt von Haiti, begleitete Blume 15 verschiedene Trauerprozessionen, fertigte akribische Soundportraits an und ermöglicht so einen seltenen Einblick in die Phasen des Abschiednehmens auf der Karibikinsel. »Death in Haiti: Funeral Brass Sounds & Sounds of Port-au-Prince« ist eine beeindruckende Arbeit, die persönlich nahegeht, ohne dabei die Distanz und Integrität der Betroffenen zu verletzen. Sie erinnert an die Vielfalt und Diversität unserer Kulturen; daran, dass Traditionen nichts Festgeschriebenes, scheinbar Unabänderliches sind, sondern vielmehr von eben dieser Vielfalt getragen werden. Denn den Tod nach außen zu tragen, ihn als Teil des Lebens – und nicht als sein Ende – zu begreifen, das ist eine Aufgabe, die in vielen Gesellschaften immer noch nach hinten gedrängt und tabuisiert wird. In diesem Sinne kann das Album auch als ein ethnologischer Brückenschlag gehört werden. Reflektiert, beeindruckend, schön!