Press Article in Berliner Zeitung (German) / Angriff auf den Wahrnehmungsapparat

Press Article in Berliner Zeitung (German) / Angriff auf den Wahrnehmungsapparat
Wenigstens einen „Wall” gibt es schon mal, gleich am Anfang der Ausstellung. Wahrscheinlich gehört zu den Vorstellungen, die der Ländername „Mexiko” derzeit aufruft, nun auch die Mauer, die US-Präsident Donald Trump gerne an der Grenze bauen möchte? Und da passt es doch, dass gleich am Einlass in die diesjährige Ausstellung des CTM Festivals im Kunstraum KreUzberg/Bethanien eine rostige Metallabsperrung steht und leise vor sich hin rumpelt.

Bei genauerer Betrachtung — beziehungsweise nach Lektüre des Beschriftung am Fuß der Skulptur versteht man, dass es sich hierbei um eine der Blockaden handelt, die von der mexikanischen Polizei bei Demonstrationen benutzt werden, um Protestierende aufzuhalten. Das sinistere krachen, das von dem Werk ausgeht, sind die Klänge von Steinen, die Demonstranten bei Protesten gegen die Erhöhung der Strompreise 2013 auf ebensolche Barrikaden geworfen haben. ber

französisch-mexikanische Künstler Félix Blume hat sit mit Kontaktmikrophonen aufgezeichnet, bearbeitet und leitet sie nun zurück in die Metallstele.

Das ist eine erklärungsbedürftige, aber interessante Idee. Aber halt! Die Bedeutung des Werks ist weitaus komplexer. Sie bringt auch noch folgende Elemente zusammen: Die „katastrophischen Monumente der frühen, nationalistischen

Avantgarde” Mexikos, so liest man im die Ausstellung begleitenden Booklet. Und eine „amorphe klangliche Energie”, die sich vom „RestRomantizismus des indigenen Futurismus des frühen 20. Jahrhunderts” bis zur „Entkörperlichung des 21. jahrhunderts” verfolgen lässt. Wenn die rostige Barrikade nicht aus solidem Metall wäre sie wäre unter der Last solcher Interpretationen wohl schon Vor der Eröffnung der Ausstellung zusammengebrochen.
(…)

Von TILMAN BAUMGÄRTEL